Warum ich Märchen nicht mag

                    (kurz vorweg: Dieser Text entstand vor genau vier Jahren und einem Tag.)

 Nehmen wir zum Beispiel 'Das häßliche Entlein'. Mein erster Gedanke: wieder so eine vermeintlich sozial-moralische Geschichte. Das häßliche, etwas tollpatschige und deshalb verachtete und gedemütigte graue Küken der Entenfamilie wird ausgestoßen, oder läuft es davon(?), wobei wir in Zeiten von Mobbing wissen, das eine kommt dem anderen gleich. Jedenfalls fristet das Küken ein klägliches Waisendasein, bis es am Ende* (wo bekanntlich alles gut wird) zu einem wunderschönen und geliebten Schwan heranreift. 

Fällt was auf? Je kürzer die Zusammenfassung eines Märchens, desto klarer tritt das Asoziale hervor. Wer häßlich ist wird verachtet, das ist eben so. Da wird nicht lange nach anderen feinen Eigenschaften gesucht. Nur wer schön ist bekommt Beachtung, besser noch ist wunderschön, der darf dann gern vergöttert werden.

Das alles wird nicht direkt gesagt, niemand behauptet, daß, würde das häßliche Küken zu einer häßlichen Ente heranwachsen, es nicht auch auf die eine oder andere Art zu ein bißchen Anerkennung und damit Lebensqualität kommen könnte; aber impliziert wird es eben doch!

Die Schwarz-Weiß-Malerei hat mir Märchen immer schon so unerträglich gemacht. Auch der ewig wiederkehrende Aspekt von Grausamkeit/en in der Familie. Lösungen für solche Problematiken bieten in der Regel: Verbannung oder freiwilliges Fortgehen/Auswandern, diversen Arten des aus dem Leben tretens als da wären Mord, Freitod oder Tod durch Unfall/Krankheit, Liebesheiraten, Zwangsheiraten, die dann aber doch noch 'ganz schön' werden u.a.

Von 'Darüber reden', Alternativen finden und so Sachen steht da selten was. Die Art der Grausamkeit richtet sich dabei nach Schema F an Geschlecht und Alter der Figur aus. Mädchen werden geächtet, wenn sie nicht schön sind und sich nicht hörig verhalten. Jungen haben immer die schlauesten, cleversten und überhaupt die Besten zu sein, jeder zweite Platz kommt einer totalen Niederlage gleich. Frauen haben Superdupermegamütter zu sein, die alles mit Links schaffen, alles ertragen (sehr wichtig! Stichwort Opfer) und die Unzulänglichkeiten anderer Familienmitglieder ungefragt und stets mit einem muttermilden Lächeln säuselt-flüsternd wieder zurechtbiegen. Die Väter sind Herrgötter, die alles (und jede/n!) im Griff haben, die Macht in persona quasi, oder sie sind gleich total versackte Versager und haben damit fortan abwesend zu sein.

In der häßlichen Entleingeschichte konkurriert, sehr hübscher Effekt, schon die Brut untereinander um die Gunst der Eltern, indem sie das weniger angepaßte Küken fertig macht. Fällt was auf? Jo, alles wie im richtigen Leben, der Mob richtet; braucht sich sonst keiner die Hände/Schwimmhäute schmutzig zu machen.

u.s.w. Je krasser desto klasser!

 

* Interessanterweise hatte ich mich zunächst vertippt und Ente geschrieben. Ein typischer Fall von freudschem Vertippen?

(Ich liebe Enten, mit ihren barocken Formen und Farben.)

 

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